Die Zeichen der Akzeptanz stehen für die Wirtschaftsvereinigung Steinfurt günstig. Mittlerweile wird das 400ste Mitglied angepeilt, die Tendenz steigt. „Wir sind kein abgehobener Service Club“, betont Geschäftsführer Heiner Hoffschroer, „unser Know-how und unsere Angebote sind wirtschaftsorientiert, wir sind Problemlöser für den regionalen Mittelstand.“
Journalist Rainer Nix sprach mit der WVS-Vorsitzenden Claudia Börgel und dem Geschäftsführer Heiner Hoffschroer:
Frau Börgel, Herr Hoffschroer, wie beurteilen Sie die Zukunftsperspektiven?
Claudia Börgel: Positiv, denn die Wirtschaftsvereinigung wächst und damit werden Schlagkraft und Angebote vielfältiger. Die steigende Tendenz resultiert daraus, dass wir uns in den letzten Jahren bei der Unternehmens-Akquise breiter aufgestellt haben als in den Jahrzehnten zuvor. Das ist in der heutigen Zeit unbedingt notwendig.
Heiner Hoffschroer: Wir gehen offensiv auf die Unternehmen im Kreis Steinfurt zu. Als ich vor drei Jahren das Amt des Geschäftsführers übernahm, hatte ich bereits großes Interesse daran, die Wirtschaftswelt des Kreises Steinfurt näher kennen zu lernen. Man hat sich getroffen auf einem Wirtschaftsfrühstück oder einer ähnlichen Veranstaltung und diese Erstkontakte empfand ich überwiegend als zwanglos. Dennoch ist es grundsätzlich eine Herausforderungen, Firmen von der WVS zu überzeugen, denn sie werden von zahlreichen Verbänden, Institutionen, Kammern und politische Verbänden kontaktiert. Es ist nicht zuletzt eine Frage der Zeit, ob sich Geschäftsführer mit jedem auseinandersetzen können.
Hat sich die Netzwerkstruktur der WVS verändert?
Claudia Börgel: Man muss verstehen, dass unsere Situation jetzt eine andere als in der Gründungsphase ist. Die WVS ist nicht mehr nur das Netzwerk der Chefetage, wir sind ein echtes Unternehmensnetzwerk geworden. Ob Nachwuchs-Führungskräfte, zweite, dritte Management-Ebene, ob Produktionsleiter*innen oder Personalleiter*innen, die Mitgliedschaft in der WVS bietet heute für alle Ebenen Vorteile. Zu Recht wird ein Mehrwert erwartet, den neue Mitglieder oft am ersten Tag noch nicht genau definieren können. Die jüngere Generation wird nicht allein deshalb Mitglied weil es die Väter schon waren.
Wie haben sich die Voraussetzungen geändert?
Claudia Börgel: Viele legen mittlerweile einen starken Fokus auf die Work-Life-Balance. Daher wird den Nutzen der Mitgliedschaft bei einer Innung, Institution oder ähnlichem hinterfragt, denn Freizeit und Erholung sind in unserer Zeit ein kostbares Gut.
Ist der WVS-Imagewandel abgeschlossen?
Claudia Börgel: Eines der wichtigen Themen der letzten Jahre war, unser Image des exklusiven Ansprechpartners nicht ganz fallen zu lassen. Die WVS ist Partner der Unternehmen für ihre speziellen Fragen, Probleme und Anregungen. Auf der anderen Seite haben wir ein Angebot, das jeden anspricht und auf Grund dessen Unternehmen gern ein Mitglied unserer großen Familie sind. Alle, die sich aktiv einbringen wollen und nach Vernetzung suchen, sind unabhängig ihrer Unternehmensgröße herzlich willkommen. Auf den ausgewogenen Branchenmix sind wir stolz. In der Summe geht es um genau dasselbe wie vor 50 Jahren, um Vernetzung. Auch Kommunen gehören zu unseren Mitgliedern, allerdings ohne Stimmrecht, um direkte politische Einflussnahme zu vermeiden.
Heiner Hoffschroer: Wir möchten bis zu einer gewissen gesunden Größe wachsen. Wenn wir größer wären als die IHK Nordwestfalen, würde es irgendwann problematisch, unseren Ansprüchen gerecht zu werden. Eine WVS mit rund 500 Mitgliedern wäre ideal, sie würde die Unternehmerschaft im Kreis angemessen abbilden. Dennoch bleiben wir natürlich offen für alle Interessenten.
Warum sollte ein Unternehmen mit der WVS in die Zukunft gehen?
Heiner Hoffschroer: Der Vorteil der WVS liegt unter anderem darin, dass wir jenseits politischer Zwänge arbeiten. Darüber hinaus werden wir nicht durch Zuständigkeitsgrenzen eingeschränkt. Wir haben keine hoheitlichen Aufgaben wie zum Beispiel eine Kammer, die Prüfungen abnehmen muss. Deshalb kann die WVS initiativ dort ansetzen, wo immer Unternehmen Hilfe benötigen. Unsere Flexibilität hat die oberste Prämisse: Wir sind aus der Wirtschaft für die Wirtschaft da. Wenn Unternehmer fordern: „löst ein Problem“, dann werden wir vorbehaltlos aktiv. Es ist sehr motivierend, lösungsorientiert zu arbeiten und Unternehmen am Ende effektiv geholfen zu haben. Wir sind seit 50 Jahren präsent. Das kommt der Wirtschaft zugute, denn erst ein Netzwerk zu etablieren, wenn Probleme virulent werden, ist eindeutig zu spät.
Claudia Börgel: Unseren Mitgliedern wird kein statisches Jahresprogramm aufgetischt. Wir setzen falls nötig an jedem Tag in jeder Woche neue Prioritäten. Wir kümmern uns kontinuierlich um neue Fragen. Anfang 2021 war uns noch nicht klar, dass wir das Straßenbauprojekt A30/B70 beschleunigen würden. Dazu gehört hohe Flexibilität. Wenn erforderlich, werden Termine geschoben und Kapazitäten freigesetzt. Oft geht es um zeitnahe Prozesse. Während andere noch das Problem definieren, wollen wir im Idealfall bereits die Lösung anbieten.
Wie sieht die Verteilung der Mitgliedsbetriebe innerhalb des Kreises Steinfurt aus?
Heiner Hoffschroer: Traditionell liegen die Schwerpunkte der Verteilung unserer Mitgliedsbetriebe im Bereich Rheine und Umgebung. Dabei soll es nicht bleiben. Wir wollen flächendeckend den gesamten Kreis in seiner Branchenvielfalt vertreten.
Claudia Börgel: Genau, unsere Aufgabe liegt jetzt ein Stück weit darin, die Betriebe in der Fläche abzudecken. Wir müssen in den Ostkreis, nach Lienen, nach Lengerich, nach Lotte, nach Laer, der Kreis Steinfurt ist groß. Jedes einzelne Mitglied ist uns wichtig, nach wie vor sind es natürlich auch die Industriebetriebe. Eines unserer Ziele haben wir in manchen Fällen schon erreicht. Viele Unternehmen kennen sich untereinander bereits. Die WVS bildet so etwas wie eine „Klammer“ zwischen allen und kümmert sich um drängende Fragen.
Wo sehen Sie die WVS in zehn Jahren?
Claudia Börgel: Wir sind immer schlagkräftiger, je größer wir werden. Daher müssen wir weiterhin das Interesse an der Wirtschaftsvereinigung wecken. Wir möchten verstärkt als Problemlöser und vertrauenswürdiger Partner betrachtet werden. Unsere Botschaft: Wir sind als Verband für euch da, sprecht mit uns und sagt, wo der Schuh drückt. Wir suchen in der Priorisierung Lösungen für euch.
Wie lässt sich das realisieren?
Heiner Hoffschroer: In unserer Geschäftsstelle Rheine sind wir, vom Gesamtvorstand einmal abgesehen, ein versiertes Team. Außer mir besteht es aus den erfahrenen Teamassistentinnen Kerstin Rehring und Riccarda Laue. Der große Vorteil unseres kleinen Personalstammes sind die kurzen Wege und das umfangreiche Wissen über die Mitgliedsbetriebe. Wir agieren hier wie eine Familie. Natürlich gibt es auch Grenzen. Wir können keine Fachkräfte aus dem Hut zaubern oder Gewerbeflächen verteilen. Das gehört in die Zuständigkeit der jeweiligen Wirtschaftsförderung. Wenn wir weiter wachsen, schultern wir die Mehrarbeit in Kooperation mit anderen Unternehmensverbänden wie dem AIW, der AAN oder dem Wirtschaftsverband Emsland. Eine Frage zu bundespolitischen Themen interessiert in Niedersachsen genauso wie am Niederrhein oder im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Da denken wir an eine Kompetenzbündelung. Am Ende vergessen wir auch den regionalen Zungenschlag nicht, denn wir sind kein Bundesverband, sondern eine regionale Wirtschaftsvereinigung.
Welche Prioritäten gibt es bei der Unterstützung ihrer Mitgliedsbetriebe?
Heiner Hoffschroer: Eines unserer großen Anliegen ist, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Wir zeigen den Betrieben auf, dass sie mit ihren Fragestellungen nicht allein dastehen. Im Idealfall gibt es in unserem Netzwerk immer ein fachkompetentes Mitglied, zu dem wir Kontakt herstellen. Bei mehr als 350 Mitgliedern unterschiedlichster Branchen ist es sonst unmöglich, zum Beispiel sämtliche Preisentwicklungen im Blick zu haben. Wir müssen den Wirtschaftsstandort stärken. Die regionale Wertschöpfung ist unser Credo. Nicht alle Komponenten müssen aus Fernost oder Osteuropa importiert werden, vielleicht gibt es ein Unternehmen in der Nähe, das ebenso als Zulieferer in Frage käme. Für zahlreiche Probleme gibt es Lösungen hier vor Ort und ich denke, dass für viele Problemstellungen die regionale Lösung die deutlich bessere ist.